Grünfläche?
Vogeltag in Kehdingen
Pflanzen am Straßenrand - das Parken ist gut möglich
Julia Verlinden MdB
09. März 2018 - Mahnwache in Cuxhaven, Nordersteinstraße
Am Sonntag jährte sich zum siebten Mal die Atomkatastrophe von Fukushima. Um daran zu erinnern sowie die Dringlichkeit des weltweiten Atomausstiegs zu betonen, hatten die Grünen in Cuxhaven zu einer Mahnwache eingeladen. Am Freitag fand sich eine Gruppe in der Nordersteinstraße zusammen, Herr Rudolf Zimmermann erinnerte in seiner Rede nochmals an den Ablauf der Atomkatastrophe in Fukushima, wie die Betreiberfirma TEPCO die Ereignisse verschleierte und auch die Weltgesundheitsorganisation die Auswirkungen verharmlost. Er erinnerte an die verheerende Folgen für die Menschen und die Region.
Hier seine Rede im Wortlaut:
Rede zum 7. Jahrestag der Atomkatastrophe von Fukushima am 11. März 2011 (Rede am 2018-03-09 am Penzancer Platz) Rudolf Zimmermann, B.90/Die Grünen
Wir haben uns hier versammelt, um der Opfer der Katastrophe von Fukushima zu gedenken.
Was ist geschehen? Am 11. März 2011 um 14.46 Uhr ereignet sich vor der Ostküste Japans, 130 Kilometer östlich von Sendai, ein schweres Seebeben (Stärke 9,0 auf der Richterskala). Die Erdstöße verursachen gravierende Schäden im AKW Fukushima Daiichi, die nachfolgende Flutwelle (Tsunami) verschärft die Situation noch. Stromversorgung und Kühlung aller sechs Reaktoren sowie der sieben Abklingbecken mit hochradioaktiven Brennelementen fallen aus. Die Blöcke 4 bis 6 sind wegen Wartungsarbeiten zufällig außer Betrieb, in den Blöcken 1 bis 3 jedoch scheitern trotz Schnellabschaltung alle Versuche, die Reaktoren ausreichend zu kühlen. In allen drei Reaktoren kommt es deshalb zur Kernschmelze und somit zum Super-GAU – in Block 1 bereits am 12. März, in den Blöcken 2 und 3 wenige Tage später. Explosionen in den Blöcken 1 bis 4 zerstören unter anderem die Gebäudehüllen.
Wochenlang ziehen immer neue radioaktive Wolken von Fukushima aus über Japan und/oder den Pazifik. Unter anderem lässt AKW-Betreiber TEPCO mehrfach radioaktiven Dampf ab, um Explosionen im Innern der Reaktoren zu verhindern, die eine noch größere Freisetzung radioaktiver Stoffe zur Folge hätten haben können.
Neben den sechs Reaktoren in Fukushima-Daiichi kommt es aufgrund des Erdbebens auch in den vier Reaktoren des AKW Fukushima-Daini, den drei Reaktoren des AKW Onagowa, im AKW Tōkai-2 sowie in der Wiederaufarbeitungsanlage Rokkasho zu kritischen Situationen wie dem Ausfall von Stromversorgung und/oder Kühlung. Sie können jedoch noch rechtzeitig wieder unter Kontrolle gebracht werden.
Was wäre passiert, wenn der Wind gedreht hätte?
Dann wäre weit mehr radioaktiver Niederschlag über dem Festland heruntergekommen und weit größere Gebiete wären kontaminiert worden. Tatsächlich wehte der Wind während der ersten Wochen der Katastrophe die meiste Zeit aufs Meer hinaus. Nur rund 19 Prozent der in die Luft abgegebenen Radioaktivität landeten deshalb in Japan. Bei Ostwind hingegen wäre das Land vermutlich durch einen radioaktiv verseuchten Streifen in der Mitte zweigeteilt worden. Und dass der Großraum Tokio mit seinen rund 50 Millionen EinwohnerInnen nicht evakuiert werden musste, war pures Glück: Als die schlimmste Wolke über ihn zog, regnete es dort nicht. Andernfalls, so urteilte der damalige japanische Premierminister Naoto Kan im Nachhinein, „hätte das den Kollaps unseres Landes bedeutet“
Wie reagierten der Betreiber TEPCO und die Regierung auf die Katastrophe?
Das Krisenmanagement und die Information der Öffentlichkeit war katastrophal und verschlimmerte die Auswirkungen des Unfalls in vielen Fällen, anstatt sie zu begrenzen. So ordnete die Regierung zwar Evakuierungen im nahen Umkreis des Unfall-AKWs an, hielt die eigenen Berechnungen, wo der radioaktive Fallout niedergehen würde, aber zurück. Evakuierte flohen daher zum Teil in Gebiete, die kurz darauf weit stärker radioaktiv kontaminiert wurden als die Gegend, aus der sie geflohen waren. Viele ebenfalls hoch belastete Gebiete wurden gar nicht oder zu spät evakuiert. Jodtabletten, die, rechtzeitig eingenommen, die Belastung der Schilddrüse mit radioaktivem Jod hätten vermindern können, wurden nur an rund 2.000 EvakuierungshelferInnen ausgegeben, nicht aber an die normale Bevölkerung. Tausende von Kindern haben deshalb nun ein massiv erhöhtes Risiko, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken. Und anstatt alles zu tun, um die radioaktive Belastung der Bevölkerung dauerhaft so gering wie möglich zu halten, erhöhte die Regierung am 19. April 2011, fünf Wochen nach Beginn der Katastrophe, die Dosisgrenzwerte um das 20-Fache: Statt zuvor 1 Millisievert pro Jahr sollte für Kinder wie Erwachsene eine jährliche Belastung von bis zu 20 Millisievert zulässig sein. De facto zwingt dies Hunderttausende, in eigentlich kontaminierten Gebieten zu leben.1 Das Erziehungsministerium entschied, Schulen in der Provinz Fukushima auch ohne Klimaanlage wieder zu öffnen; radioaktiver Staub, der immer wieder auftritt, gelangt so durch die geöffneten Fenster bis in die Klassenzimmer.2 Und in den Schulkantinen kommt auf Anordnung der Behörden sogar Reis aus Fukushima auf den Tisch.3
Lasst mich an dieser Stelle kurz auf einen anderen Skandal eingehen: Pandemien, Umweltkatastrophen, medizinische Ausnahmezustände: Wann immer die globale Gesundheit in Gefahr scheint, ist für uns die Weltgesundheitsorganisation, kurz WHO, da. "Eine universelle Gesundheitsversorgung ist das wichtigste Konzept des öffentlichen Gesundheitswesens", betonte die ehemalige Generaldirektorin der WHO, Magaret Chan, immer wieder, und versprach: "Wir lassen die Menschen nicht im Stich!" Beruhigende Worte. Doch stimmt das wirklich? Die Filmemacherin Lilian Franck hat unter dem Titel "trust WHO" einen beklemmenden Dokumentarfilm gedreht, in dem sie der WHO eine Verharmlosung der Atomkatastrophe in Fukushima vorwirft.
"Auf dem WHO-Bericht über die Auswirkungen von Fukushima, steht ganz fett drauf, dass es sich dabei um einen Bericht der WHO handle", sagt Franck. "Wenn man aber genauer schaut, welche Experten ihn verfasst haben, sieht man, dass ein Drittel der Experten von der Internationalen Atomenergie-Agentur sind."
Der Vorwurf: Die Vertuschung einer Atomkatastrophe, eine Verstrickung von Atomlobby, japanischer Regierung und WHO. Mit ihren Erkenntnissen konfrontiert sie die Behörde und den Pressesprecher der WHO, Gregory Hartl. Angesprochen auf die eigenen WHO-Richtlinien, die eine Jod-Einnahme innerhalb von sechs Stunden nach einem nuklearen Unfall Jod empfiehlt, möchte der lieber das Thema wechseln: "Ich bin wirklich der Meinung, Sie verschwenden Ihre Zeit damit.". Dieser Aufruf der WHO ist nicht erfolgt und wird noch viele Kinder das Leben kosten. Dazu muss man wissen, dass die einst von den Mitgliedern der vereinten Nationen finanzierte Organisation heute zu 70 % über Projekte von Stiftungen und der Industrie finanziert und damit gesteuert wird.
Doch zurück nach Fukushima: Am vierten Tag der Katastrophe will TEPCO sogar alle Versuche, die Reaktoren doch wieder zu kühlen, einstellen und die gesamte Atomanlage einfach sich selbst überlassen. Nur eine massive persönliche Intervention des Premierministers verhinderte dies.4
„Die Regierung und die Aufsichtsbehörde haben nicht dafür gesorgt, die Gesundheit der Anwohner zu schützen und ihr Wohl wiederherzustellen“, hielt die Untersuchungskommission des japanischen Parlaments zu dem Atomunfall fest.5
Die Naturkatastrophe forderte rund 15.800 Tote und mehr als 3700 Vermisste.
Die Katastrophenregion um Fukushima ist auf Jahrzehnte oder noch länger unbewohnbar. Mehr als 185.000 Menschen mussten ihre Heimat verlassen.
-zig Tausende Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser flossen in den Ozean. Es geriet 168-mal so viel Cäsium 137 in die Umwelt wie bei der Explosion der Hiroshima-Bombe.
Nach Angaben des Fukushima-Betreibers Tepco wird es noch bis zu 40 Jahren dauern, bis das Kraftwerk vollständig gesichert ist. Rund 20.000 Arbeiter halfen, die Reaktoren unter Kontrolle zu bringen.
Nach der Katastrophe wurden die 50 Reaktoren des Landes stillgelegt, Die Regierung lässt nach und nach alle japanischen Reaktoren wieder ans Netz gehen. Inzwischen ist sie, die Regierung, nach der Verstaatlichung des AKW-Betreibers Tepco am 31. Juli 2012 durch Erwerb von 50,11 % der Firmenanteile selbst AKW-Betreiber und tut alles, damit Atomkraft weiterhin zentrales Element der Stromgewinnung bleibt.
Doch „Gedenken“ heißt auch zu schauen: Welche Konsequenzen oder gar Lehren sind aus der Katastrophe gezogen worden?
Lasst mich mit einer aktuellen Meldung beginnen: Das älteste Schweizer Atomkraftwerk Beznau 1, das zugleich auch das älteste AKW der Welt und seit März 2015 vom Netz ist, soll, trotz Hunderter Materialfehler, wieder ans Netz gehen – direkt an der Grenze zu Deutschland. Und dass die Franzosen von der liebgewordenen Atomenergie nicht lassen mögen, ist ebenfalls ein Faktum, mit dem wir leben müssen. So viel zu den Nachbarn.
Und in Deutschland selbst? Welche Entwicklung hat bei uns die Atompolitik genommen? Was macht unsere große kühle, besonnene, ewige Kanzlerin, die Naturwissenschaftlerin Angela Merkel: Ihr Atomkurs ist gefühlig wie ihre Politik überhaupt. Da wird erst ein von Jürgen Trittin gut und rechtssicherer Atomausstieg 2010 mal eben gekippt, um die Klientel der flüssigen, ja gar überflüssigen FDP, die damals ihr Koalitionspartner ist, zufrieden zu stellen. Im Klartext: Abschied von Trittins und der rot-grünen Regierung auch mit den Atomkonzernen ausgehandelten Atomausstieg hin zu einer Laufzeitverlängerung: Alle AKWs sollen laufen, was das Zeug – oder das Material- noch so hergibt. Und dann 2011 Fukushima: der schreckliche Schock, das immer Unvorstellbare, das, was eigentlich gar nicht passieren konnte und durfte: Nach Tschernobyl nun Fukushima! Mal eben ein viertel Jahrhundert nach der ersten großen nun die zweite große Atomkatastrophe, und das, obwohl doch alle Wahrscheinlichkeitsrechnungen für den Super-GAU immer locker von Wahrscheinlichkeiten in Millionen von Jahren ausgingen! Konnte man bei Tschernobyl noch mit westeuropäischer Arroganz darauf verweisen, dass die Osteuropäer mit so komplizierter Technik wohl doch nicht so ganz adäquat umgehen konnte, ging das bei den Japanern nun beim besten - oder schlechtesten - Willen wirklich nicht mehr. Also nun ganz plötzlich der wohl eher emotional zustande gekommene Ausstieg – schlecht gemacht, schlecht begründet und eher aus dem Bauch heraus geschehen als aus dem Kopf, aus der kühlen Überlegung. Zickzack-Kurs a‘ la Merkel. Immerhin muss man ihr lassen, dass sie politisches Gespür für das hat, was in der Bevölkerung gedacht und gefühlt wird. Und ja, es ist auch ein großer Erfolg des jahrzehntelangen Kampfes der Anti-AKW-Bewegung, ohne den es keinen Bewusstseinswandel im Lande gegeben hätte.
Und „Gedenken“ heißt auch: Es gibt eine Verpflichtung, sich Gedanken zu machen über die Zukunft. Ist also das Thema „Atomkraft“ wenigstens in Deutschland erledigt, wo wir doch einen - wie auch immer gearteten – Ausstieg hinbekommen haben? Also alles auf einem doch ganz guten Weg? Von wegen! Der Tod könnte mal wieder ein Meister aus Deutschland werden! Hier, bei uns, wird die sog. 4. Generation von Atomkraftwerken entwickelt.
Seit April 2017 ist das Joint Research Centre (JRC) Standort Karlsruhe (ehemals Institut für Transurane = ITU) auf dem Gebiet des KIT Nord ein geistiges und materielles Zentrum der europäischen Atomforschung, weil alle europäischen Atominstitute nach Karlsruhe verlegt wurden. Zurzeit wird dort ein neues Forschungs- und Lagergebäude, u. a. auch für hochradioaktive Stoffe, gebaut. Das "Karlsruher Bündnisses gegen neue Generationen von Atomreaktoren“ kennt die großen Genehmigungsmengen von Plutonium, Uran, Thorium, die dort gelagert werden. Man weiß auch, dass dort neue Atombrennstäbe gebaut und - nach einer Bestrahlung im Ausland - in Karlsruhe dann auf die Zusammensetzung der radioaktiven Substanzen untersucht werden. Was man noch nicht genau weiß: was genau dort zum Thema neue Brennstoffe für neue Atomreaktoren geforscht wird.
Weltweit werden derzeit mehr als 60 Kernkraftwerke geplant oder gebaut , fast alle Giganten mit mehr als 1000 Megawatt Leistung, zwei neue auch in Europa. Dazu Absichten für Neubauten von kleinen modularen Reaktoren, die wie andere Reaktortypen mit spezifischen neuen Atombrennstoffen aus der Zeit gefallen scheinen, aber intensiv beforscht werden.
KIT und JRC Standort Karlsruhe sind über das EU-Projekt SAMOFAR an Thorium-Flüssigsalzreaktoren beteiligt, die eine integrierte Wiederaufarbeitung von waffenfähigem Uran 233 ermöglichen können. Diese Gefahren ungekannten Ausmaßes, die davon und von Kleinen Modularen Reaktoren (SMR) ausgehen, werden vom Karlsruher Bündnis untersucht. Und wenn der kleine Dicke aus Nordkorea noch viel Mühe hatte, seine Atombomben zu bauen, so könnten die neu geplanten Thorium-Flüssigsalzreaktoren Uran 233 gewissermaßen als netten kleine Nebeneffekt liefern. Hier zeigt sich einmal mehr die andere Seite der Atomenergie: Keine Atomwaffen ohne AKWs! Und glaubt mir: Die Welt ist voll von kleinen Diktatoren a‘ la Kim Jong Un, die nur allzu gerne Atombomben hätten, um den Rest der Welt erpressen zu können.
Lasst uns auch das nicht vergessen und lasst uns weiterhin daran arbeiten, die Welt endlich AKW- und Atomwaffen-frei zu machen!"I
Grüne Kandidatinnen und Kandidaten zur Landtagswahl 2017
neu: Siemens-Gamesa in Cuxhaven
Sie vermissen hier Cuxhaven-Infos? - Dann schauen Sie auf der Internetseite des Kreisverbandes vorbei.
Den Kreisverband der Grünen Cuxhaven finden Sie unter:
Die Konto-Nummer des Ortsverbandes von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN in Cuxhaven
Konto bei der Stadtsparkasse Cuxhaven mit der IBAN DE97 2415 0001 0025 2639 06